Einige Menschen stellen sich vor, daß Psychologen Seelenleser oder Beherrscher der Seele sind. Jedoch ist das meiste, was die Psychologie lehrt, einfach gesunder Menschenverstand. Wissenschaftliche Versuche helfen ihnen jedoch dabei, einige falsche Annahmen auszuschließen, und sich an die Teile des "gesunden Menschenverstands" zu halten, die am besten funktionieren. Aufgrund dieser Vorstellung des gesunden Menschenverstandes habe ich mich nicht damit abgetan, viel von solchen Dingen zu erklären, die ich aus der Psychologie gelernt habe. Jedoch gibt es ein paar Lektionen, die besonders hilfreich gewesen sind, und die vielen von euch vielleicht nicht bewußt sind. Daher werde ich sie in diesem Artikel erwähnen.
Zunächst einmal werde ich jedoch den Titel erklären. Es gibt verschiedene Zweige der Psychologie. In meinem Aufsatz Das Id und das Superego z. B. schauen wir auf etwas, das aus der Freud´schen Psychologie kommt. Dieser Zweig hat eine Menge mit den Emotionen von Menschen und ihren Familienbeziehungen zu tun. In Medieninterviews und Dissonanz beim Erkennen beziehe ich mich auf Konzepte, die aus der Erkenntnispsychologie kommen. Die Erkenntnispsychologie beschäftigt sich mit den Wegen unseres Denkens, und damit, wie wir lernen.
Verhaltenspsychologie ist der Zweig, der sich mit der Schulung von Menschen beschäftigt (d. h. mit der Veränderung ihres Verhaltens), und zwar hauptsächlich durch Belohnungen und Bestrafungen. Sie ist der Zweig der Psychologie, der am praktischsten für Eltern und Lehrer ist. Vieles von dem, was man auf diesem Gebiet gelernt hat, ist aus Experimenten mit Tieren gekommen, die mit Nahrung belohnt oder mit soetwas wie Elektroschocks bestraft wurden, um herauszuarbeiten, was bei ihrem Training am wirksamsten sein würde. Die Ergebnisse hat man für die Schulung von Menschen angewandt.
Belohnungen und Bestrafungen
Es ist zum Großteil ein Resultat der Verhaltenspsychologie, daß die Welt dazu tendiert hat, von Drohungen und Bestrafungen als die Mittel, Menschen zu verändern, abgerückt ist. Die Forschung hat gezeigt, daß positivere Ansätze gewöhnlich effektiver sind. Wenn man ein Schild sieht, das beispielsweise sagt: "Danke, daß sie in diesem Raum nicht rauchen", dann reflektiert das, was man aus der Verhaltenspsychologie gelernt hat. "Vielen Dank" ist viel ansprechender als "Nicht.!", und ist auch wirksamer.
Sogar Leute, die als Gefängniswärter, Polizisten oder Wachmänner arbeiten, haben von einer Ausbildung in den Grundzügen der Psychologie Nutzen gezogen. Einem betrunkenen Raufbold mit Gefängnis zu drohen macht ihn vielleicht nur noch aggressiver, wogegen ein Plaudern darüber, wie sein Tag gelaufen ist, oder einfach das Erzählen eines Witzes viel wirksamer bei der Beruhingung des Raufbolds und weniger gefährlich für die Gesetzesvollstrecker sein kann.
Dieser Wechsel in der Betonung spiegelt den Unterschied zwischen dem Ansatz im Alten Testament ("Du sollst nicht") und dem im Neuen Testament ("Du wirst geliebt") wider, um das Verhalten der Menschen zu verändern. Trotz all unserer Kritik über die Lehre der pervertierten Gnade in den Kirchen müssen wir doch anerkennen, daß diese Lehre mächtig wirksam bei der Veränderung des Verhaltens der Menschen gewesen ist, um sie zur Anpassung an die Tradition der Kirche zu bringen, selbst wenn dies nicht dabei Erfolg gehabt hat, sie zum Gehorsam Jesu gegenüber zu bewegen.
Unmittelbare Belohnungen
Eine einfache Lektion der Psychologie, die von vielen Eltern, Lehrern und selbst von Betrieben, Schulen und Körperschaften der Regierung übersehen wird, ist das Konzept der unmittelbaren Belohnung. Je näher eine Belohnung (oder eine Bestrafung, was das betrifft) zeitlich zu dem Verhalten steht, dem man Nachdruck verleihen möchte, desto wirksamer wird sie sein. Wenn eine Mutter sagt: "Warte, bis dein Vater nach Hause kommt; der wird mit dir richtig umgehen," garantiert sie mehr oder weniger, daß Papas Bestrafung unwirksam sein wird. Ihre Drohung zur Zeit der Missetat wird mehr Nutzen haben als jede Bestrafung, die Papa einige Stunden später zuteilen wird, weil Hänschen ziemlich vergessen haben dürfte, was es war, wofür er gerade bestraft wird.
Ein ähnliches Problem entsteht, wenn die Eltern eine Belohnung versprechen, aber dann Tage oder Wochen benötigen, um ihre Versprechen zu erfüllen. Erinnere dich: Je unmittelbarer die Belohnung für das Verhalten erfolgt, das du ermutigen willst, desto wirksamer wird sie sein. Und das gleiche gilt für Bestrafungen.
Die gleiche einfache Lektion wird übersehen, wenn Universitäten die Ergebnisse der Abschlußexamen erst einen Monat nach der Prüfung oder noch später abschicken. Es ist sehr überraschend, daß diese Praxis selbst in Psychologiekursen fortbesteht, wo es die Professoren besser wissen!
Autofahrern in Australien werden Geldbußen für Verkehrsverstöße, die im geheimen durch Radarkontrollen festgestellt wurden, mit der Post zugeschickt. Viele, wenn nicht alle dieser Gesetzesübertreter werden sich, wenn sie den Bußbescheid erhalten, nicht einmal daran erinnern können, wann der Verstoß stattfand. Um wieviel wirksamer ist es, wenn ein Raser aufsieht und in genau dem Augenblick, wo er die strafbare Handlung begeht, ein Blitzlicht im Rückspiegel erkennt!
Verzögerte Genugtuung
Das Konzept der verzögerten Genugtuung ist nicht so sehr eine Vorstellung der Verhaltenspsychologie. Jedoch verdient sie hier Erwähnung, weil sie den Nutzen daraus veranschaulicht, nicht immer eine unmittelbare Belohnung zu geben. (Siehe Periodische Belohnungen und Bestrafungen unten.)
Die Fähigkeit, auf Belohnungen zu warten, ist ein klassisches Kennzeichen für jeden, der erfolgreich sein wird. Da Belohnungen NICHT immer unmittelbar kommen, werden Leute, die lernen, geduldig auf eine Bezahlung, Anerkennung, oder eine andere Form der "Genugtuung" zu warten, diejenigen sein, die im Leben am meisten erreichen.
Ein Gelegenheitsarbeiter, der den Tageslohn dazu verwendet, am nächsten Tag betrunken zur Arbeit zu kommen, wird niemals ein Arzt oder ein Rechtsanwalt werden. Auf die Bezahlung bis zum Wochenende zu warten, oder dem Monatsende, oder dem Ende des Medizinstudiums, verkörpert längere und längere Perioden der Verzögerung, bis der Betreffende zum Aufsammeln der Belohnung für die harte Arbeit kommt.
Für uns als Christen kommt die abschließende Belohnung (ewiges Leben) nicht vor dem Ende eines Lebens der Treue und Ergebenheit. Daher müssen wir in demselben Moment, wo wir danach streben, unsere Nachfolger unmittelbar zu belohnen, diese Belohnungen auch auf eine solche Weise gebrauchen, daß sie ihre Fähigkeit erweitern, immer länger zu warten, bevor sie nachgeben und wieder auf das schlechte Verhalten zurückfallen, das vor dem Beginn der Belohnungen da war.
Das Wichtigste auf diesem Gebiet für Eltern oder Führer ist Wachsamkeit. Man muß das Verhalten der Kinder oder der Nachfolger bewußt und unaufhörlich beobachten, damit man weiß, wie lange man bis zur Austeilung der Belohnung warten kann.
Stadtplaner tun dies oft mit Fußgängerüberwegen. Sie installieren Kameras in Gebieten wie beispielsweise auf Überwegen in der Mitte eines Häuserblocks, wo die Fußgängerampeln nicht mit den Verkehrsampeln in Verbindung stehen, und beobachten dann, wie lange die Fußgänger auf die Fußgängerampeln warten, bis sie nachgeben und die Straße bei Rot überqueren. Sie benutzen diese Information, um den Zeitschalter an dem Knopf einzustellen, den die Menschen drücken. Auf diese Weise ist der Verkehrsfluß nicht jedesmal dann beeinträchtigt, wenn jemand den Knopf drückt, und es entsteht ein Auflauf von Fußgängern, bevor das Signal schließlich wechselt. Eltern, die wollen, daß ihre Kinder erfolgreich sind, müssen mit ihren Kindern ähnliche Beobachtungen anstellen, und entsprechend handeln.
Periodische Belohnungen und Bestrafungen
Mit Vögeln in Käfigen wurden Experimente gemacht. Zunächst erhielten die Vögel jedesmal dann ein Körnchen Futter, wenn sie mit ihrem Schnabel eine Glocke schlugen. Später hörten die Belohnungen auf. Als die Belohnungen nicht mehr einsetzten, gaben die Vögel nach ein paar Anschlägen auf.
Eine andere Gruppe von Vögeln jedoch ging durch eine Periode nach dem anfänglichen Training, während der sie die Belohnungen zeitweilig aussetzend erhielten, d. h. nur nach dem zweiten, dritten oder vierten Anschlagen der Glocke. Als die Belohnungen vollständig aufhörten, waren die Forscher über die Entdeckung erstaunt, daß diese Vögel oftmals fortfuhren, die Glocke hundert- oder gar tausendmal zu schlagen, in der Hoffnung, die Belohnung zu bekommen.
Was dies enthüllte war, daß, wenn man die Belohnungen schrittweise wegnimmt, nachdem man dabei Erfolg gehabt hat, jemanden auf einer regulären Basis zu einer Reaktion auf eine Belohnung zu kriegen, der oder die Betreffende ein solches Verhalten für eine so lange Zeit beibehält, daß es möglicherweise zu einer lebenslangen Gewohnheit wird. Wenn man dieses System beispielsweise bei einem bettnässenden Kind anwendet, wird es bald nicht mehr notwendig sein, weiter Belohnungen zu geben. Das Verhalten wird sich lang genug fortsetzen, um für das ganze Leben bestehen zu bleiben.
Vielleicht bezieht sich die bedeutungsvollste Anwendung dieses Prinzips mehr auf das Gebiet unbestraften Fehlverhaltens. Ich will das erklären.
Angenommen, jemand stielt von einem Kiosk einen Lutscher. Der Lutscher ist für jene Person die "Belohnung" für das Diebstahlverhalten. Falls sie damit davonkommt wird sie wieder stehlen. Der Tatbestand, daß die Person gelegentlich erwischt und bestraft wird, setzt nicht die periodische Belohnung außer Kraft, die bei den vielen Malen eintritt, wo sie mit dem Stehlen davonkommt. Schließlich wird sich das Stehlen das ganze Leben lang fortsetzen, selbst wenn sie dutzende Male erwischt und bestraft wird.
Nun die Veranschaulichung einer Familiensituation: Ein Kind nörgelt oder initiiert einen Wutanfall, um seinen Weg zu bahnen. Wenn die Eltern nachgeben, sind das Nörgeln oder der Wutausbruch belohnt worden. Die Tatsache, daß die Eltern später den Irrtum des Nachgebens erkennen und versuchen, nein zu sagen, scheitert, ein Kind abzuschrecken, das intermittierend für ein solch ungezogenes Verhalten belohnt worden ist; und von daher wird es das Nörgeln und Fordern weitermachen, manchmal für den Rest des Lebens. einfach deshalb, weil es ein paar Mal funktionierte als es jung war. Man könnte argumentieren, daß auch die Bestrafung zeitlich aussetzend ist. Jedoch ist sie nicht so stark wie die "Belohnung"; und es war das belohnte Verhalten, das zunächst einmal das Verhaltensmuster festlegte. Wenn die Bestrafung von vornherein konsequent gewesen wäre, dann hätte die Bestrafung die Norm setzen und die gewünschte Wirkung erzielt haben können.
Die Lektion ist also, schlechtes Benehmen von Anbeginn konsequent nicht zu belohnen, und insbesondere wachsam dabei zu sein, schlechtes Verhalten in der frühen Kindheit zu erkennen und zu bestrafen, wenn man ein sich ordentlich benehmendes älteres Kind haben möchte.
Verhalten und Glaube
Wir stoßen jetzt auf ein Gebiet der Verhaltenspsychologie, das sich spezifischer mit dem beschäftigt, was die Menschen denn eigentlich glauben. Als christliche Missionare befassen wir uns mehr mit dem, was die Menschen wirklich glauben, als mit ihrem äußeren Verhalten.
Untersuchungen haben die Neigung der Menschen erkennen lassen, ihren Glauben auf eine solche Weise zu formen, daß er mit ihrem Verhalten übereinstimmt. Das ist genau der Grund, warum Glaubenssätze überhaupt so schwer zu verändern sind. Wenn jemand raucht wird der Betreffende Widerstand leisten, Beweise für die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens zu akzeptieren. Mit anderen Worten, er oder sie möchte glauben, daß das Rauchen nicht schadet. Dasselbe gilt für jemanden, der eine Kirche besucht, die eine spezielle Doktrin lehrt. Er wird sich jeder Lehre widersetzen, die sein Verhalten herausfordert. (Siehe auch In-Groups und Out-Groups)
Wenn wir also die Glaubenssätze dieser Menschen verändern möchten, dann wird es wahrscheinlich helfen, sehr kleine Veränderungen in ihrem Verhalten herbeizuführen. Man muß die Veränderungen nicht alle auf einmal durchführen. Wenn ein Raucher etwas so unschuldiges getan hat wie für einen Freund, der daran interessiert ist, das Rauchen aufzuhören, ein paar Broschüren gegen das Rauchen zu besorgen, dann schwächt diese Handlung das Glaubenssystem des Rauchers. Ähnlich, wenn wir Kirchgänger dazu bekommen können, auch nur irgendetwas mit uns zu tun zu haben (ob oder ob nicht sie annehmen, was wir lehren), dann wird es für sie leichter, schließlich die Wahrheit in dem anzuerkennen, was wir sagen.
Manchmal treffen wir auf der Straße freundliche Leute, die mit uns reden wollen. Wir fragen sie manchmal, ob sie, solange sie darauf warten, bis wir Zeit für eine längere Unterhaltung haben, ein paar unserer Traktate ausgeben möchten. Die bloße Tatsache, daß sie ein paar von unseren Traktaten ausgegeben haben (selbst wenn sie kein Wort davon gelesen haben), macht sie aufgeschlossener, später zu hören was in ihnen steht, und geneigter, die Wahrheit in ihnen zu akzeptieren.
Etwas ähnliches geschieht, wenn wir die Menschen auffordern, uns ein paar Pfennige als Bezahlung für unsere Traktate zu geben. Selbst wenn sie uns einen Pfennig geben, hat dies die Wirkung, sie zu einer positiveren Einstellung zu dem, was wir zu sagen haben, zu verpflichten. Das ist mit ein Grund, warum es gut ist, Freunde und Verwandte zu ermutigen, uns zu helfen wie sie können. Selbst wenn ihre Hilfe uns gelegentlich lästig ist lohnt es sich, da es Bande mit ihnen schafft, die sie veranlassen werden, aufgeschlossener gegenüber dem zu sein, was wir sonst zu sagen haben.
Überbelohnung
Eine andere interessante Lektion der Verhaltenspsychologie ist die, daß die Menschen ihre Glaubenssätze nicht verändern werden, um mit einem Verhalten übereinzustimmen, für das sie überbelohnt worden sind. Es ist aufgrund dieses Prinzips, daß so viele Menschen ihre Arbeit hassen. Sie sehen keinen Widerspruch darin, das zu hassen, was sie tun, denn sie wissen, daß sie es nur wegen dem Geld machen. Diese Lektion ist besonders wichtig für Eltern, die ihre Kinder mit Geschenken überschütten, um sie zur gewünschten Verhaltensweise zu bewegen. Was wir für die Menschen wirklich wollen ist, daß sie Glaubenssätze internalisieren, so daß sie sie mit oder ohne Belohnungen befolgen, und Überbelohnung wird unsere Absicht zunichte machen.
Kirchen, die Tonnen von Literatur frei ausgeben, vereiteln in Wirklichkeit ihr eigenes Vorhaben, denn die Menschen fühlen sich nicht so sehr geneigt, etwas zuzustimmen, was sie umsonst erhalten haben, als etwas, wofür sie auch nur einen Pfennig bezahlt haben. Das gleiche gilt für Kirchen, die Brotlaibe und Fische anbieten, um die Menschen zum Besuch ihrer Treffen zu gewinnen. Die Heilsarmee mag durch ihre Wohlfahrtsarbeit vielleicht ein paar Mitglieder gewinnen, aber hingegebene Gläubige werden meist aus denen kommen, die nicht für die milden Gaben anwesend sind.
Natürlich gibt es keine klare Linie zwischen Überbelohnung und ausreichender Belohnung, und die meisten Verhaltensweisen sind so komplex, daß mehrere verschiedene Faktoren ins Spiel kommen werden. Die Leute lesen (und beantworten dann) sicherlich Material, das sie umsonst empfangen haben; und Leute, die einer Gruppe zunächst aus einem egoistischen Grund beigetreten sind, können sich durchaus nach und nach ehrlicheren Motiven entgegenbewegen. Aber das übergeordnete Prinzip der Überbelohnung ist eines, dessen wir uns bewußt sein müssen.
Als Zusammenfassung sollten wir sagen, daß die Psychologie niemals den Platz von echter Liebe, Ehrlichkeit und authentischem Glauben einnehmen kann. Es beschreibt höchstens die Dinge, die wir wahrscheinlich in unserer Bemühung, Gott zu gehorchen und andere Menschen zu lieben, schon tun. Nichtsdestoweniger kann ein bißchen Vorbildung darüber, welche Verhaltensformen unsererseits am wirkungsvollsten dabei sind, anderen beim Wachstum im Glauben zu helfen, ziemlich hilfreich sein.